• Es scheint, dass es in der SBB Historic Küche brodelt.

    Da der Link zur Aargauer Zeitung nur während kurzer Zeit kostenlos ist, gestatte ich mir hier eine Kopie anzufügen, mit dem Hinweis, dass das Copyright bei der Aargauer Zeitung liegt. (Ich habe zur Weiterleitung keine Bewilligung eingeholt und hoffe, dass mir die Verantwortlichen der AZ verzeihen werden ;) (Im Original hat es auch noch schöne Fotos.)

    Gruss
    Bruno

    Aargauer Zeitung / MLZ; 07.05.2009; Seite 3

    Thema

    Bahnfans lassen Dampf ab, aber nicht laut

    SBB Historic informiert heute über ihre Arbeit ? ob das Malaise im Hintergrund zur Sprache kommt, ist fraglich

    Legendäre Loks, die still- stehen und Schaden nehmen. Bahnfans, die teure Nostalgiefahrten nicht zahlen können. Kleines Angebot, mühsame Zusammenarbeit. Das sind Vorwürfe, die seit langem gegen SBB Historic schwelen. Heute findet in Olten die Jahres-Medienkonferenz statt. Ob der breite Unmut zur Sprache kommt, ist fraglich.
    Max Dohner

    Schweizer sind Bahn-Chauvis. Kein Wunder: Auf jeder «Gotthardloki» prangte das Emblem. Seit Generationen hat das irgendwie das Herz imprägniert. Aber was ist nur los mit dem Material zum Gefühl? Wo sind die Nostalgiewagen, die «Loklegenden»? Zu reden ist von einem schwelenden Zorn. Gegen SBB Historic, jene Stiftung, die unsere Bahngeschichte seit 2001 betreut und ? über RailAway ? vermarktet. Viele reden von «Unmut», aber niemand tut es laut. «Sonst», sagen sie, «ist die Situation ganz verkachelt.»

    Wer sich dann umhört, erlebt eine Überraschung: Man hört zwar vieles, aber man will nichts gesagt haben. Kennen Bahnfreunde noch immer die furchtbare Strafe der Steinigung? Schon der Erste erschrickt: «Um Gottes willen keine Namen!» Er hat uns, irgendwo in einem einst bedeutenden und quirligen, heute einsamen Bahnhof, seine Klagen aufgezählt. Es wirkte wie der Abbau eines seit Jahren aufgestauten Frusts. Am Ende sagt der Mann: «Bitte, noch einmal: Das bleibt anonym. Sonst werde ich gesteinigt.» Von wem? Von seinesgleichen oder von der Seite, über die er sich beklagt hatte, die Stiftung SBB Historic? Als Antwort gibt er einen Tipp: «Schauen Sie mal im Bahnforum nach.»

    Jeder ist ein Lokiführer

    Das «Bahnforum Schweiz» ist ein Internetportal für Hardcore-Bahnfreaks. Davon wimmelts in der Schweiz. Wenn es im Fussballstadion heisst, jeder Fan sei auch ein Trainer, dann gilt das für Bahnfreunde tausendfach. Jeder ist auch ein Lokiführer, Generaldirektor, Kondukteur, Radachsenschweisser, Stationsvorstand, Gramper, Stellwerkwart. Das Mitgliederverzeichnis des Forums, alles andere als ein Insider-Klübli oder gar eine Sektennische, ist 105 Seiten lang. Passwörter sorgen für Freiheit beim Dampfablassen am virtuellen Stammtisch, Namen wie Schienebieger, Bahnmatti, Railhopper und ThurboSam.

    Der Suchbegriff «SBB Historic» holt eine Unzahl von Einträgen auf den Schirm, in deren Wust nicht immer einfach zu verstehen ist, worum es überhaupt geht. Zu fachmännisch gibt sich da jeder Hobbybahner aus und setzt selbstredend detailliertes Bahnwissen voraus. Die Kenntnis der Nietenzahl am «Elefanten», einer legendären Dampflok, ist da nur Basic.

    Gefürchtete «Nietenzähler»

    Diese «Nietenzähler» sind gefürchtet. Man muss deshalb immer mit Vorsicht geniessen, wo sie zu wettern beginnen. Die helle Aufregung kann sich auch um Kinkerlitzchen drehen. Trotzdem: Einträge zur Stiftung SBB Historic zeugen, dass es in diesen Kreisen brodelt.

    «Die Preise bei Extrazügen der Historic sind absolut übertrieben», lesen wir da. Oder: «Ich finde, da sollte mehr Freude vorhanden sein an Fahrten mit historischen Fahrzeugen.» Oder: «Es ist irgendwie die Masche von SBB Historic, nur die aufgearbeiteten Fahrzeuge zu zeigen und die anderen vor dem Fussvolk hermetisch abzuschotten.» Oder: «Die Ae 6/6 Uri wurde zu SBB- Historic umgeteilt. Laut mir zugegangenen Informationen wurde die Lok in der Werkstätte Biel als Ersatzteilspender genutzt. Ich muss gestehen, ich bin erschüttert.» Oder: «Früher hatte man historische Fahrzeuge einer Revision unterzogen, bevor man sie als historisches Fahrzeug deklarierte. Heute über- lässt man SBB Historic einen ausgeschlachteten Schrotthaufen. Eine Schande für die ganze SBB.» Und: «SBB Historic ist einfach zu teuer. Ich wollte den Zug nur mieten und nicht kaufen.» Und: «Wenn die Rennleitung der SBB Historic weiterhin so kaltschnäuzig mit Interessenten und allfälligen Kunden umgeht, muss man sich nicht wundern, dass der Ruf schlecht ist! Es ist klar, dass das Rollmaterial gewinnbringend eingesetzt werden soll ? aber SBB Historic eifert wohl den Banken nach.»

    Die kritischen Punkte aus dieser Auswahl lassen sich so zusammenfassen: Die Angebote der SBB Historic sind exorbitant teuer, oder sie zielen am Markt vorbei. Elegante Events mit 4-Gang-Menüs beispielsweise im Flaggschiff der Stiftung, dem TEE-Zug RAe 1053, versuchten betuchte Reisende zu ködern, wenn «das Volk» doch eigentlich zufrieden wäre mit Dampf und ein paar alten Rüttelwagen. Mit regelmässigen Nostalgiefahrten statt Einzelausflügen. Fahrfähiges Rollmaterial sei aber extrem selten im Einsatz. Zwischen der Geschäftsleitung der Stiftung und den Praktikern tun sich offenbar Gräben auf, als zerfiele die Bahngeschichte aller in zwei getrennte Welten.

    «Eher Bittsteller als Kunde»

    Und nun wirds wirklich verrückt. Um den ganzen Unmut genauer zu ergründen, fragen wir jetzt Leute vom Fach. Aber auch da: «Uh, heikel!», sagt der Erste. «Da möchte ich lieber nichts dazu sagen», bemerkt der Zweite, Vorsteher eines bahn- historischen Vereins, «wir bekämen es sonst zu spüren.» Der Dritte erlaubt zwar, seine veröffentlichte Meinung zu zitieren, aber nicht mal das unter seinem Namen. So zitieren wir denn, aus der Fachzeitschrift «Schweizer Eisenbahn-Revue» (1/2009):

    «An überzogenen Preisvorstellungen und wenig kundenfreundlichem Verhalten seitens der SBB sind schon viele Fahrten mit SBB-Historic-Fahrzeugen gescheitert. Mit wem man auch spricht, stets erhält man den Eindruck, dass die Stiftung ? beziehungsweise RailAway als Vermarkterin ? Fahrten mit dem ihr anvertrauten Rollmaterial eher verhindert als fördert. Die Zusammenarbeit sei ?sehr schwierig?, man fühle sich ?wie ein Bittsteller und nicht wie ein Kunde?, sagen Partner der SBB Historic.»

    Und ein pensionierter SBB-Angestellter kommentiert: «Das sind keine Fahrzeuge, sondern Stehzeuge.»

    Legenden vor Ökonomiedenken gerettet

    Kurz vor dem Jahrtausendwechsel kam auch für die SBB die Zeitenwende: Aus dem Regiebetrieb des Bundes wurde eine Ak- tiengesellschaft. Alles wurde umorganisiert, und das Gebot hiess: Wirtschaftlichkeit. Was überflüssig schien, wurde eliminiert.

    Für Bahnfans ist keine ausgediente Kelle, keine Schraube überflüssig, geschweige denn die «Loklegenden» der Bahngeschichte. Es wurde eng. Die SBB erkannten das Problem rechtzeitig und setzten 1999 eine Projektgruppe ein: Was tun mit dem historischen Material? Der Vorschlag der Gruppe: eine privatrechtliche Stiftung mit dem Namen «Historisches Erbe der SBB», später ? griffiger ? SBB Historic genannt. Am 6. April 2001 wurde die Gründungsakte unterzeichnet. Die SBB leisteten ein Dotationskapital von 5 Mio. Franken.

    «Die wichtigen Dokumente und Zeugen der Kultur- und Wirtschaftsgeschichte des Bahnlandes Schweiz wollen wir nicht nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der SBB, sondern insbesondere der Öffentlichkeit und der Wissenschaft zugänglich machen»: So beschreibt die Stiftung ihr Ziel. Die Geschäftsstelle befindet sich beim Bahnhof in Bern. Geschäftsleiterin ist seit 2006 Stéphanie von Erlach, die ehemalige Vize-Stadtschreiberin von Bern. (mad.)