Weinbergsbahn in der Romandie

  • Hallo zusammen,

    wie schon an anderer Stelle angedeutet, möchte ich euch hier ein kleines "Zwischenprojekt" vorstellen, das ich in den vergangenen Monaten gebaut hatte. Mittlerweile ist die Anlage zu 95% fertiggestellt.

    Wer unter den Forumianern auch Leser der Zeitschrift LOKI ist, hat meine Kleinanlage schon im Heft 10/2020 ab Seite 92 entdecken können unter der Überschrift "Chez Monsieur Louis". An dieser Stelle sollen jedoch bislang unveröffentlichte Bilder verwendet werden.

    Nachdem ich meine vorigen Modellbahnanlage "Gletschmodell" verkauft hatte, wurden Überlegungen angestellt, was nun als nächstes gebaut werden soll. Da ich aus verschiedenen Gründen seit längerem sehr wenig Zeit für die Modellbahn habe und der Bau einer vergleichbar grossen neuen Anlage somit viele Jahre dauern wird, hatte ich mich entschlossen, zwischendurch zuerst noch eine Kleinstanlage zu bauen.

    Kriterien zur Planung waren folgende:

    -Abmessungen: 70 x 40 cm (d.h. durch eine Person zu transportieren und auf einem Werkzeugwagen abstellbar)

    -Spurweite H0e mit Radien von max. 14 cm, was bedeutet, dass nur sehr kurze Fahrzeuge einsetzbar sind, also beispielsweise eine Feldbahn

    -als Gleisplan sollte ein Oval mit zusätzlichen Abstellgleisen umgesetzt werden

    -es sollte möglichst vieles im Selbstbau erstehen

    -die Anlage soll mit einer ROCO Multimaus digital betrieben werden und die Lok möglichst mit Sound ausgestattet sein

    Basierend auf diesen Rahmenbedingungen ohne Vorbild habe ich ein Thema für die Feldbahn gesucht und bin auf eine Weinbergsbahn gestossen, die noch heute als Museumsbahn zu touristischen Zwecken betrieben wird. Dabei bin ich dann auch auf eine Vielzahl von Fotos von Weingütern in der Romandie gestossen, womit feststand, dass meine kleine Bahn dort angesiedelt wird. Das zentrale Gebäude sollte also schlossähnliche Elemente haben. Näheres dazu später.

    Beim Gleisplan für solch eine minimalistisches Projekt wurde ich ebenso im Internet fündig. Dort wurde von amerikanischen Modellbauern eine Drehscheibenbahn vorgeschlagen, die mit der Drehscheibe als zentrales Element eine grössere Anzahl von Stumpfgleisen auf engstem Raum ermöglichst. Unter Einbezug von Steigungen konnte somit ein interessanter Zugbetrieb geplant werden.

    Hier nun ein erster Eindruck aus der Bauphase, als die PECO Gleise verlegt waren und die befestigten Flächen mit Juweela Pflaster belegt waren:

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    Die beiden Tunnelportale stellen Eingänge zu den befahrbaren Felsenkellern dar, in denen der Wein kühl gelagert wird (im obigen Bild rechts im Hintergrund bereits erkennbar).

    An der Frontseite ist die Anschlussbuchse für die ROCO Multimaus sowie das Tastenfeld für die Drehscheibenbedienung und weitere Funktionen zu erkennen.


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    Als erstes Kapitel möchte ich auf die kleine Drehscheibe näher eingehen. Hier eine Ansicht vor der Verklebung mit Sekundenkleber.

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    Die Drehscheibe selbst bilden mehrere aufeinander geklebte CDs mit einer eingeklebten Mutter als Aufnahme für den Schrittmotor (hier nicht sichtbar). Die Lagerung erfolgt über eine Aluminiumplatte mit Befestigung über 3 Gewindestangen, die eine Höhenjustierung erlauben. Um die Konstruktion einfach zu halten, wurde die Stromversorgung über flexible Drähte realisiert, die eine Drehung um ca. 270° ermöglichen.

    Links auf der Lochrasterplatine ist der Optokoppler zu erkennen, mit dem nach jedem Einschalten der Referenzpunkt angefahren wird. Dazu ist auf der Drehscheibenunterseite ein schwarze schwarze Markierung angebracht.

    Als Auflage der Drehscheibe dienen 4 Kugellager mit Stifthalterungen, die seitlich im Aluminiumrahmen eingelassen sind.

    Die Ansteuerung des Schrittmotors 28BYJ-48 erfolgt über einen Kleincomputer RaspBerry Pi mit dem Betriebssystem Raspbian (mittlerweile zu Raspberry Pi OS umbenannt) , mit dem ich schon bei anderen Anwendungen Erfahrungen sammeln konnte. Die Bedienung der Drehscheibe erfolgt über eine Taste für Rechtslauf und eine weitere für Linkslauf. Für jeden weiteren Gleisanschluss muss die Taste ein weiteres Mal gedrückt werden. Dabei greift die selbstgeschriebene Software auf die hinterlegte Anzahl der notwendigen Schritte von einer zur nächsten Position zurück. Für die beiden Positionen, die über die 180° hinausgehen, wird dabei auch die Polarität der Gleisspannung getauscht.

    Hier nun ein Gesamteindruck der kleinen Weinguts

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    Die Vorderseite des Hauptgebäudes stammt von einem niederländischen Anbieter. Die anderen Wände wurden mit Styrodurplatten erstellt, genauso wie auch das linke Kellereigebäude, das über einen Gleisanschluss verfügt. Der Turm wurde mit Moltofill modelliert, wobei eine kleine Getränkedose als Innenform diente.

    Der Bediener der mechanischen Drehscheibe ist eine ehemaliger Schrankenwärter des Herstellers Viessmann. Er sorgt bei Publikumsverkehr dafür, dass der Lokführer nicht aussteigen muss, wenn die Drehscheibe gedreht werden soll.

    Ein Lokschuppen existiert bei der Weinbergsbahn nicht. Stattdessen nur ein Unterstand, der auch einen Wasseranschluss zum Befüllen der einzigen Dampflok Nr. 13 sowie den Kohlenvorrat beinhaltet. Für eine wetterfeste Unterstellung der Lok sowie der Loren steht in den Felsenkellern genügend Platz zur Verfügung, da sie mit Gleisanschlüssen versehen sind.


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    In den kommenden Tagen werden weitere Bilder und Informationen folgen.

  • Hier nun weitere Infos und Bilder.

    Bei der Weinlese werden die Trauben in die Loren gefüllt. Dabei ist es von Vorteil, dass dies direkt von der Mauer herab erfolgen kann.

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    Am Kellereigebäude werden die geernteten Trauben dann in einen anderen Behälter umgefüllt, der dann per Gabelstapler zur Kelter gefahren wird.

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    Besucher nehmen gerne das Angebot war, sich per Feldbahn die Weinberge zeigen zu lassen. Im Vordergrund mehrere von Gestrüpp überwucherte ausgediente verrostete Lorenfahrgestelle.

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    Am Ende des ansteigenden Stumpfgleises befindet sich ein weiterer Felsenkeller. Dieser ist auch befahrbar, jedoch nur für einzelne Loren, die auf der kleinen Wagendrehscheibe einzeln um 90° gedreht werden müssen.

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    Selbstverständlich hat jeder Felskeller ein verschliessbares Tor. Hier ein nach aussen zu öffnendes Holztor, das den kleinen Feldbahnzug aus dem Wein-keller ausfahren lässt.

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    Die Weinbergsbahn mit der ungewöhnlichen Trambahn-Dampflok hat auch eine (fiktive) Geschichte, die nicht unerwähnt bleiben soll:

    Der frühere Besitzer des Weinguts war neben seinem Beruf als Winzer auch ein leidenschaftlicher Eisenbahnliebhaber und hat deshalb zur Bewirtschaftung seiner Rebenhänge eine Feldbahn bauen lassen, die aus einer einzigen Zuggarnitur mit einer Zweikuppler Dampflok und verschiedenen Loren bestand. Als die Dampflok Jahre später irreparabel defekt war, schien das Schicksal dieser kleinen Privatbahn besiegelt zu sein, da die Reparatur immens teuer gewesen wäre. Erst viele Jahre später in der Nachfolgegeneration hat es sich als vorteilhaft erwiesen, dass der Besitzer Monsieur Louis enge Verbindungen zu influssreichen niederländischen Freunden hatte und so erfuhr, dass die kleine Trambahn-Lokomotive mit dem Namen „Silvolde“ in ihrem bisherigen Museum keinen Platz mehr hatte und einen neuen Standort suchte. Verhandlungen wurden geführt und letztendlich wurde man sich einig, die Lok als Dauerleihgabe an Monsieur Louis zu übergeben verknüpft mit der Bedingung, dass die Lok im Originalzustand erhalten bleibt und regelmässig auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll. Dies kam dem neuen Eigentümer gerade recht, denn so war der Fortbestand seiner aussergewöhnlichen Dampfbahn gesichert und er konnte auf neue Besucher seines Weinguts hoffen, die hoffentlich auch Kunden seiner ausgezeichneten Weine werden könnten. Aus diesem Grund veranstaltet er seither mehrmals im Jahr Wein- und Dampfbahnfeste, die immer mehr Interessenten finden. Eindrücke eines solchen Events soll das folgende Bild vermitteln.

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    Normalerweise werden die Trauben im Kellereigebäude in der Presse bearbeitet. Es ist jedoch immer eine besondere Attraktion, wenn bei Festen publikumswirksam 2 Besucher im Wettstreit die roten Trauben mit ihren Füssen in grossen Bottichen treten. In der schattigen Laube lässt sich der Wein vor-züglich geniessen.


    Allen Lesern wünsche ich ein besinnliches Weihnachtsfest mit viel Zeit für die Familie und Modellbahn!

  • Hallo Axel,

    tolle Geschichte und sehr schöne Kleinstanlage !!:thumbup::thumbup::thumbup:

    Man sieht bei den Bildern kaum den Übergang vom Vorder- in den Hintergrund !!

    Aber was macht die Schweizer Flagge in Frankreich ??

    Mit freundlichen Weihnachtsgrüßen

    Christian

    Schweizer Schmalspurbahnen in 1:87- Anlagen und Dioramen: "Saluti da San Vittore", "GLACIER EXPRESS 1981", "HOTEL OBERALPSEE um 1930"

  • Frohe Weihnachten Axel,

    sofort würde ich ein paar Flaschen aus deinem liebevolle gestalteten Weinberg bestellen!

    Ich finde dies Art von Kleinstanlagen eine so tolle Bühne um sich auszutoben. Du hast so extrem viele kleine liebevolle Details verbaut, es macht einfach Spaß das alles zu begutachten. :respekt::respekt::respekt:

    Deine fiktive Geschichte bringt mich zum Schmunzeln......genial! Ganz großes Kino auf kleiner Fläche!

    lieber Gruss,

    Peter


    Intellibox IR, IntelliLight, Light@Night, Selbstbau gleis Code 70, Rückmeldung: LocoNet, QDecoder, MBTronik WA5, Win-Digipet, Dc Car Stahldraht,

  • @Aad, Christian und Peter: Danke für eure wohl wollenden Kommentare.

    @ Aad: Was die Stromabnahme betrifft, habe ich noch nicht sehr viel Erfahrung gesammelt, da ich bislang nur sehr wenig Fahrbetrieb hatte. Selbstverständlich muss man recht häufig die 4 Räder und Schienen reinigen. Glücklicherweise ist die kleine Lok durch die Metallbauweise relativ schwer (35g) für ihre Grösse, was ich durch zusätzliche Gewichte noch steigern werde. Somit ist die Stromabnahme recht akzeptabel.

    Der Anbieter dieser Trambahn-Dampflok ist die Firma Tramfabriek.NL. In deren Portfolio befinden sich nicht nur niederländische Handarbeitsmodelle, sondern auch Kleinstmotoren und sonstige Kleinteile zur Optimierung von anderen Lokomotiven.

    Für mein Modell der Lok "Silvolde" standen 3 Varianten zur Auswahl: das Fertigmodell, ein Halb-Bausatz und der Do-it-yourself Bausatz. ich habe mich für den Halb-Bausatz entschieden, was bedeutet, dass die 4 Seitenwände schon verlötet waren und das Dach vorgebogen. Ebenso ist das Fahrwerk mit dem Motor in allen Varianten schon vormontiert. Da ich die Optionen für den DCC-Decoder und Soundecoder von ESU mitbestellt hatte, mussten diese noch verlötet und verdeckt platziert werden. Das gestaltete sich aufgrund der offenen Bauweise recht knifflig.

    Hier ein Bild in der Bauphase nach der Lackierung mit einer kleinen Revell Airbrush Anlage. Der Kessel im Hintergrund ist im 3D Druck entstanden.

    Der schwarze Wasserbehälter (neben dem Motor) beinhaltet den Miniaturlautsprecher. Der DCC Decoder ist später durch den aufgesetzten Kessel verdeckt.

    Die kleine Lok mit ihrer Gehäuselänge von ca. 40 mm ist somit die kleinste Dampflok mit digitalem Sound, die mir bekannt ist.

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    Hier das Endergebnis auf dem "Präsentierteller".

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    Hier Monsieur Louis im gelben Sakko mit seiner Lok Nr. 13 und seinem ebenso schmucken Opel Kapitän aus den 50er Jahren.

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