0m Ospizio Bernina

  • Denn sie wissen nicht, was sie tun...

    Hallo zusammen!

    Es gibt sie, diese Projekte, die aus einer fixen Idee heraus entspringen. Bei denen man sich keine Gedanken darüber macht, was da auf einen zukommt und man auch nicht alles komplett durchplant, um dann festzustellen, dass das eigentlich eine Nummer zu groß ist.

    So war es auch bei diesem Projekt. Vor gut 3 Jahren, Ospizio Bernina hat einen Bauzustand erreicht, bei dem das Gröbste steht, viel der Satz: "Eigentlich fehlt jetzt noch die Brücke am Lago Bianco..." Hier wäre der Zeitpunkt gewesen um "Stopp" zu sagen. Leider passierte das nicht und es folgten 2 Jahre Arbeit.

    So schlimm wird das schon nicht sein, schließlich habe ich das ja auch schon in H0m gebaut. Das ist ja nur doppelt so groß - ha,ha... Als ich das erste Mal die fertige Brücke in die Widerlager gehoben habe, habe ich mich selbst erschrocken, wie große das Projekt dann doch ist. Was man auch nicht vergessen darf, ist, dass man in 1:45 dann doch deutlich detaillierter arbeiten muß, als man das in 1:87 tun kann.

    Wie wurde die Brücke in H0m gebaut? Aus Polystyrol-Streifen, die einfach zusammengeklebt wurden. Bei den Messingmodellen der großen Spur ist das dann vielleicht doch nicht die geeignete Bauweise. Schließlich fährt dann ein wenig mehr Gewicht über die Brücke. Was nimmt man dann als Material? Klar, Messing. Das kann man löten und so auch größere Teile mit hoher Stabilität erstellen.

    Die Brücke sieht ja sehr einfach aus und viel kompliziertes scheint nicht dran zu sein, doch der Teufel steckt im Detail. Die ganze Brücke sollte aus drei Teilen zusammengesetzt werden, damit man nicht 1m lange Ätzteile herstellen lassen muß. Die großen H-Träger dann aus einzelnen Teilen, die man einfach ätzen läßt und dann ein stabiles Profil bekommt. Fräsprofile kamen nicht in Frage, da die sicher als Sonderprofile extrem teuer gewesen wären. Bei den Querträgern hätte das dann auch mit meiner Konstruktionsidee nicht gepasst. Im Kopf war die Brücke also schon halb gebaut, nur die Bauteile fehlten noch.

    Querträger, fangen wir mal damit an: 23 Stück an der Zahl, ein paar L und U-Profile und ... 64! Nieten für jedes einzelne Teil. Uff... Da das kein Lebensprojekt werden sollte, mußte eine andere Lösung her. Bei der Frage, wie man das effizient lösen kann, kamen wir auf die Idee, den Querträger als Messinggussteil herzustellen. Damit hat man ein fertiges Teil, wenn die Auflösung des Druckers nicht ganz so perfekt ist, ist es nicht schlimm, weil es sich in der Brücke befindet und beim beim Löten kann einem so ein Teil nicht in seine Einzelteile zerfallen und für Frust sorgen. 3D habe ich noch nie gezeichnet, aber man kann ja alles lernen, wenn man nur will und so stand dann nach einiger Zeit ein solches Teil auf dem Tisch. Das erste Puzzlestück der Brücke am Lago Bianco in 0m (1:45):

    Es verging ein wenig Zeit und passend zu diesem Teil habe ich dann die Ätzvorlage für die zu erstellenden Träger gezeichnet. Das war ganz pfiffig gedacht und sollte als Stecksystem mit jeweils zu 50% angeätzten Blechstreifen gebaut werden. Bei dieser Bauweise konnte ich keine Nieten auf das Blech zeichnen und ätzen lassen und bei 0.5mm Blechstärke wären die Unterätzungen auch sehr stark gewesen. Also wurde mit Löchern geplant, in die dann Nieten gelötet werden sollten. Kurzer Überschlag, wie viele benötigt werden: Man glaubt es nicht, aber es sind über 1000 Stück in dieser Brücke. Spätestens hier war klar: so einfach sie auch aussieht, sie ist es nicht! Da mußte ich mir etwas einfallen lassen, um das etwas zu drücken. Alleine die Materialkosten für 1000 Nieten sind schon nicht ohne. Bei den Ätzblechstreifen führte aber kein Weg drum herum und so war klar, das gut 400 Nieten gelötet werden müssen. Die Zeichnung der gesamten Brücke passte auf ein Messingblech von 300x400mm und ich gab es in Auftrag. Die Freude über das angekommene Paket währte nur kurz: Transportschaden mit teilweise geknickten Blechen und viel schlimmer noch: Es war keine 50:50 Ätzung, sondern 1/3 - 2/3, und so starke Unterätzungen, dass die 0.6mm Nietenköpfe gleich durch das Blech durchfielen. Hier wäre ein weiterer Punkt gewesen auszusteigen, aber man lernt ja aus seinen Fehlern. Oder auch nicht. Also: Neues Blech bestellt, diesmal mit kleinerem Nietenlochdurchmesser und der Bitte um 50:50-Ätzung. Leider war das wieder nichts. Es war weder 50:50, noch waren die Löcher jetzt kleiner. Das war schon sehr frustrierend, zumal so ein Ätzblech auch nicht gerade günstig ist. das wurmt einen, aber um Euch Mut zu machen, muß man ja auch mal von seinen Fehlversuchen reden. Sonst denken immer alle, dass das alles beim ersten Mal klappt. Das tut es nämlich nicht.

    Ätzen ist für diese Brücke also keine Option. Ich ging auf die Suche nach einem Unternehmen, welches mir die Messingteile lasert und habe auch eines gefunden. Da ich das noch nie gemacht habe fragte ich vorsichtig an, ob ich auch Löcher von 0.4mm lasern lassen könnte (Die Nieten haben einen Schaft von 0.5mm. Lieber etwas weniger...). Klar, geht - kein Problem. Also habe ich die Teile neu als .dxf gezeichnet und die Datei versendet. Zwei Wochen später hatte ich exakt geschnittene 0.5mm Blechstreifen mit 0.4mm Löchern (Hätte ich bloß 0.5mm angegeben - Ich mußte die 400 Löcher auf 0.5mm aufbohren.). Leider kann der Laser nicht 50% des Materials abtragen, sondern nur schneiden und so mußte ich die Bleche auf die Fräsbank spannen und die Nuten hineinfräsen, die ich für meinen Steckbaukasten benötigte. Beim Ätzen wäre das komplett entfallen. Alles hat seine zwei Seiten.

    in die so entstandenen Blechstreifen habe ich die Nieten gesteckt und von der Rückseite mit dem Elektroniklötkolben grob verlötet. Das diente nur dem Auftragen des Lötzinns und die eigentliche Lötung geschah dann mit der Flamme. Das ist unerlässlich, da die Messingstreifen so viel Wärme abziehen, dass da ein normaler Lötkolben nicht ausreicht. Die Nietenschafte wurden mit der Zange abgezwickt und dann mit der Schleifscheibe plan abgeschliffen. Auf dem obigen Bild sieht man die drei Arbeitsschritte.

    Nachdem alle Nieten in die Profile eingesetzt waren, habe ich die jeweiligen 3 Bleche für eine Seite zusammengelötet. Diese wurden an den Übergängen, wo jeweils 50% Material abgetragen wurde einfach zusammengelötet. Mit diesem Schritt kamen dann zum ersten Mal die Ausmaße zum Vorschein. Es lagen 103cm vor mir und damit die Frage: Wie bekomme ich das gerade verlötet? Wo kann ich das überhaupt bearbeiten und überhaupt, warum habe ich mir das angetan? Da die Arbeitsplatte trotz 50mm Schichtverleimung nicht gerade war, viel die Wahl auf eine Glasplatte, auf der die ganzen Profile entstanden. Als erstes Wurden zwei Profile zu einem "T" zusammengelötet. Das untere Profil, in dass das stehende Profil mit den Nieten eingelötet wurde. Zwischen die beiden fertigen T-Profile wurden dann die Messinggussteile gesteckt und Stück für Stück verlötet. 23 an der Zahl, wobei 4 Stück etwas anders aussehen und entsprechend angepasst wurden.

    Damit mir aussen die mühsam eingelöteten Nieten nicht aus den Löchern fallen, wenn ich von der Rückseite mit der Flamme alles wieder erwärme, wurden die mit einer Wärmestopppaste eigeschmiert. Die hat die Wärme nicht verhindert, aber die Nieten an ihrem vorgesehenen Ort belassen. Alles ging gut und keine Niete ist herausgefallen. Nachdem alle 23 Querträger eingelötet waren, ist schon so langsam eine Brücke zu erkennen. Ein paar Schwellen geben einen ersten Eindruck, wie das fertige Bauwerk wirken wird.


    wird fortgesetzt...

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Marco

    Wow - das wird ein Megaprojekt, aber ich denke, der Aufwand wird sich am Schluss (wenn alle "Zweifel-Phasen" durch sind) mehr als lohnen und Du hast eine wunderbare Brücke!

  • Hallo Marco

    Diese Brücke hat's in sich - und du baust sie exakt nach Vorbild! Eine Wahnsinnsarbeit, aber wie du schreibst, dabei kann man viel lernen und sammelt Erfahrungen. Das ist für mich Modellbau: eigene Lösungen finden und in die Tat umsetzen, auch wenn's mal schief geht, dann halt nochmals.

    Der Brückenkasten ist dir super gelungen!

    En Gruess

    Reto

    Lenz V. 3.6, Traincontroller Gold 9.0, SmartHand mobile, HP Quadcore, Berninabahn, Segmentbauweise, Hundeknochenprinzip
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  • Hallo Marco

    Das sieht sehr schön aus. Bei 0m finde ich auch den Bauablauf um einiges näher am Original als H0m. Das fasziniert mich sehr.

    Hut ab vor Deiner Vorgehensweise !

    @Giorgio: Das wäre bei Dir dann so eine ca. 4 gleisige Brücke mit Mittelperon....?;)

    liebe Gruess

    Thomas

  • Hallo Marco,

    chapeau ! Ich ziehe meinen Hut vor dir, auch wenn du offen und ehrlich zu gibst, dass auch bei dir nicht alles gleich beim ersten mal klappt. Aber dass du dich davon nicht entmutigen lässt, sondern dir einen neuen oder anderen Weg suchst, dass ehrt dich. Bei so vielen Umbauten hast du hier dein Können gezeigt, aber mit der Brücke hast du dir ein wunderschönes Modell erarbeitet.

    Freundliche Grüße aus "Arosa"
    Daniel

  • Hallo Marco,

    unglaublich fantstisch! Ein Megaprojekt!

    Allein was du für diesen Beitrag an Erkärung und Entwicklung geschrieben hast ist schon riesig, aber nach drei Jahren teilt man dies gerne! Danke!

    Ich kenn die Entäuschung nur zu gut, wenn geätze Teile kommmen und dann passt etwas nicht, wo man vorher schon wochenlang an der Planung gegrübelt hat ob man dies oder jenes Maß nehmen soll!

    Gerade wenn sich Teile überschneiden, ist ein Versuch eher die Ausnahme!

    Meinen größten Respekt zu deinem Ehrgeiz und Durchhaltevermögen, unglaublich!

    Wünsche weiterhin gutes Gelingen und freu mich auf mehr!

    lieber Gruss,

    Peter


    Intellibox IR, IntelliLight, Light@Night, Selbstbau gleis Code 70, Rückmeldung: LocoNet, QDecoder, MBTronik WA5, Win-Digipet, Dc Car Stahldraht,

  • Hallo Marco,

    Vielen Dank für deine ausführlichen Erläuterungen wegen den Bau der "Lago Bianco" Brücke: wirklich ein sehr gut durchdachtes und fortgeschrittenes Unternehmen! Ich hatte schon angst du hättest nichts mehr zu tun...:thumbup:

    Wie ich das schon vorher an andere Projekte deiner Hand gesehen habe wird das ein Mega Ergebnis werden!

    Da muss man nur "etwas"Durchhaltevermögen mitbringen....das ist bei dir aber in guten Hände! :respekt:

    Die Plastikschwellen werden dann doch wohl durch Holzernen ersetzt oder?

    Grüsse, Michiel

    Filisur 2.0 - St.Moritz und weiter nach Alp Grüm / H0m-Doppelstock-Segmentanlage /Selbstbauweichen/ Peco-Gleis / DCC /Xpressnet

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Thomas

    @Giorgio: Das wäre bei Dir dann so eine ca. 4 gleisige Brücke mit Mittelperon....?;)

    ... mindestens - bei meinem Massstab stehe ich wenigstens nicht vor der Frage, ob die Nieten dargestellt werden sollen.

  • Hallo zusammen!

    Vielen Dank für die lieben Kommentare und keine Angst, ich bleibe dem Hobby treu und die Brücke wird auch komplett vollendet. Es soll nur Mut machen, auch mal zu sehen, dass bei jedem etwas schief gehen kann und nicht immer der erste Anlauf zum Erfolg führt. Das ist ganz normal. Und eines kann ich Euch schon erzählen: Der Anblick der ganzen Brücke erfüllt einen mit Stolz und entschädigt für die vielen Arbeitsstunden der letzten zwei Jahre.

    Nachdem die Querträger eingelötet waren, wurden das obere Profil aufgelötet und mit dem schon vorhandenen T-Profil, bzw. Querträger verbunden. Das gibt dann schon eine ganz schöne Stabilität in der ganzen Brücke. Hier noch ein Bild, wo die Profile erst einmal aufgelegt wurden:

    an den vier Punkten, wo die verstärkten Querträger eingebaut sind, mussten aussen noch kleine Verstärkungen angepasst und angelötet werden.

    Auf den oberen Profilen befinden sich "Nasen", an denen auf der Rückseite dann passend abgelängte L-Profile angelötet wurden. Die meisten dieser Arbeiten sind immer mit einer Löthilfe, die dazu passend gefräst wurde ausgeführt worden. Weiter muß man alles so gut wie möglich fixieren, damit es bei der Lötung mit der Flamme nicht wieder an anderer Stelle aufgeht.

    An die "Flügel" auf der Seeseite wurden passend abgelängte U-Profile mit Hilfe einer kleinen Lötlehre angelötet. Die Flucht zeigt, dass es relativ gerade geworden ist.

    So langsam wird es eine Brücke und es fehlen noch die Rollenlager, auf denen die Brücke auf den beiden Widerlagern ruht. Die Widerlager sind vorbildgerecht unterschiedlich ausgeführt. Die Brücke war eine Teamarbeit mit meinem Vater und der hat die unzähligen Dreh und Frästeile in tage- bzw. manchmal auch nächtelanger Arbeit angefertigt. Hier mal ein Blick auf ein Rollenlager, welches aus mehreren Teilen zusammengelötet wurde. In die Löcher an der Seite sind noch Schraubenimitationen gelötet worden.

    Parallel habe ich die Widerlager konstruiert und in einer Zeichnung zum Lasern aus Holz geschickt. Herausgekommen ist so ein Bausatz:

    wird fortgesetzt...

  • Hallo Marco,

    vielen Dank für den sehr ausführlichen Baubericht, die Brücke sieht wirklich super aus.

    Gerade das Wissen über die Fertigungsweisen, die nicht funktionieren/funktioniert haben, sind für uns alle von großem Vorteil, auch wenn es bei Dir sicherlich zu Frustrationen geführt hat - zum Glück haben sie Dich nicht abgehalten, weiterzumachen - Respekt.

    Bitte halte uns weiter auf dem Laufenden.

    (ich 'darf' auch noch zwei Stahlbrücken bauen - zum Glück nur H0m)

    Viele Grüße

    Sven

    H0m: RhB (+FO), Zeit ca.1985-2003 [Zimo, BiDiB und multiMAUS, RocRail]: "Zwischen Oberalp und Bernina" Bautagebuch und Diskussionen

    H0: DB (+SBB,+ÖBB), Ep.III-V, Steuerung G+R