Hoi zäma
Der verregnete/verschneite Sonntag bietet sich an, euch noch etwas Lesestoff zu generieren
Ende 2022 bis Anfang 2023 weilte, wie ihr hier schon gesehen habt, die Ge 4/6 353 in Landquart um das schon länger bestehende Problem der warm werdenden Vorlaufachse anzugehen. Die Achse war nie überhitzt oder ausgeschmolzen, aber die Erwärmung war sicherlich ausserhalb des gesunden Masses.
Somit baute man im Dezember 2022 die Achse im Depot Landquart aus. Zu diesem Zweck kam seit längerer Zeit wieder einmal die Achssenke in der Rotunde zum Einsatz, welche im Boden verbaut ist und schienengebunden zwischen mehreren Gleisen verschiebbar ist.
Die auszubauende Achse wird dabei angehoben, die Schienenstücke entfernt, die Achse abgesenkt und unter der Lok hervor seitlich verschoben. Dann kann die Achse wieder gehoben und vom Gabelstapler abgeholt werden.
Bei der 353 kam als besonderer Kniff hinzu, dass die Vorlaufachse ja Teile des Lokkastens mitträgt und die Federung ausserdem über Ausgleichshebel in jene der ersten Kuppelachse eingreift. Wenn wir also nur die Achse ausbauen würde das Bisselgestell einknicken und beachtliche Teile der Federung irreparabel beschädigen. Daher kamen noch Stützen zum Einsatz, die das Bisselgestell für die Zeit der Reparatur direkt auf dem Untergrund lagerten. Die Lok war in dieser Zeit also nicht verschiebbar.
So sieht es aus, bevor die Achse abgesenkt wird
An der Achse selbst hat man die Lagersitze überarbeitet und die Radreifen reprofiliert. Die Achslager hingegen waren sehr verschlissen, weshalb sie ausgeschmolzen und neu ausgegossen und ausgeschabt wurden. Erst dann war wieder der Zusammenbau auf dem Programm.
Alles was eine solche Reparatur über sich ergehen liess, ist anschliessend natürlich Probe zu fahren. Willy hat hierzu ja in diesem Faden schon einige Bilder gezeigt. Auf der ersten Fahrt von Landquart nach Jenaz und zurück haben wir oft angehalten und die Temperaturen des erneuerten Lagers mittels Infrarotkamera überprüft. Für mich war es zugleich die Einschulung zur Bedienung der alten Dame.
Einige Zeit später erfolgte dann die Lastfahrt nach Serneus, wo Lok 646 als Last hinhalten musste. Eine zweite Lokomotive haben wir auch aus der Überlegung heraus genommen, dass auch bei Talfahrt (im vorliegenden Fall zwischen Küblis und Landquart) Zugkraft ausgeübt und der Antrieb der Stangenlok so belastet und weiter geprüft werden kann.
Das Wetter liess uns beide Male nicht im Stich....Probefahrten unterhalb Schiers und in Serneus.
Dann unbebildert einige Kommentare zur Bedienung/Ausbildung der Lok:
Bevor an Fahrbetrieb zu denken ist, gilt es, die ganze Lok abzuschmieren. Wenn dies mit allen Achs- und Stangenlager, der Federung sowie allen Hilfsapparaten gewissenhaft ausgeführt wird, ist dafür mindestens eine Stunde einzurechnen.
Nachdem Lok 354 in den 1980er-Jahren einen fatalen elektrischen Defekt erlitt (die Lok ging anschliessend den Weg des alten Eisens) hat man die Elektrische Bremse von 353 dauerhaft ausser Betrieb genommen. Vom Lokführer fordert dies speziell in den steilen Rampen im Prättigau oder am Albula ein gutes Gefühl für die Vakuumbremse - etwas anderes steht nämlich nicht zur Verfügung. Die Lok hat nicht einmal eine auf die Lok wirkende Druckluftbremse wie beispielsweise Lok 222. Um dieses Fahren zu beüben, hat bei unserer Lastfahrt von Serneus bis Küblis die Lok 646 als reine Anhängelast gedient: Meine Aufgabe war es, alleine mit der Vakuumbremse möglichst die Streckengeschwindigkeit halten zu können - nicht zu schnell und nicht zu langsam.
Ein weiteres Gewöhnen fordert der Stufenschalter beim Auf- und Abschalten. Er sitzt direkt hinter einem der beiden Führerstände und wenn man im Tunnel je nach Last eine Stufe schaltet, blitzt es hinter einem grell blau und je nach geschalteter Last fliegen auch noch kleine glühende Teile aus dem Funkenkamin an die Seitenwand der Lok. Dies ist bei dieser Technik aber normal - nur halt nicht eben gewöhnlich in der heutigen Zeit
Zum Schluss noch eine unterhaltsame Story aus der Ausbildung:
Um an den Stufenschalter zu gelangen (ja, auch der möchte gelegentlich etwas Schmiermittel sehen) muss man die Lok erden und mit dem Erdungsschlüssel dann den Hochspannungsraum öffnen. Der Stufenschalter sitzt etwa auf Brusthöhe, darunter sind noch Drosselspulen und weitere Bauteile verbarrikadiert. Die Schmierung des Stufenschalters also beübt, Kiste zugemacht und weitergegangen. Kurz darauf hat mein Mentor seine kleine magnetische Taschenlampe vermisst. Nachdem wir sie sonst nirgends gefunden haben, haben wir also die Lok nochmals geerdet und den Hochspannungstrakt nochmals geöffnet und dort weitergesucht. Gerade wollten wir ihn wieder schliessen als ich seitlich hinter dem Stufenschalter in den Spalt gelienzt habe und siehe da: Die Lampe lag dort auf dem Boden. Nur die Zugänglichkeit war etwas dürftig: Zu weit unten um hinlangen zu können, der Stabmagnet, den wir zur Rettung holten hielt überall, nur nicht am Lämpchen und zu guter Letzt war die Lampe auf ihren Magneten gefallen und klammerte sich so an den Lokboden. Es half also nichts, wir mussten tatsächlich Werkzeug auftreiben und eine Verschalung des Hochspannungsraum abschrauben um die Lampe zu bergen. 20 Minuten Zusatzaufwand und kein Mensch wusste, wie die Lampe da hingeraten war....
Das wär's fürs Erste. Viel Spass und Unterhaltung!
Beste Grüsse
Riccardo