Hoi Pascal
Diese ganze Steinritzerei ist vermutlich eine ziemlich meditative Angelegenheit. Dein Modell möchte ich zum Anlass nehmen, einmal ein paar grundsätzliche Überlegungen zur Darstellung von Mauerwerk im Modell anzubringen. Von Grosserienherstellern bekommt man meist sehr stereotyp gestaltetes Mauerwerk geliefert. Es ist zwar mittlerweile recht feingliedrig ausgearbeitet, aber trotzdem beschleicht einen immer noch der Eindruck der Unnatürlichkeit. Das gleiche passiert auch bei selbst gestaltetem Mauerwerk. Oft wird versucht, durch recht plastisches Ritzen im Gips eine Darstellung des Mauerwerks, also bis in den letzten Stein zu erreichen.
In meinem früheren Beruf war ich in der Archäologie tätig, genauer in der Bauanalyse. Hier musste ich oft ganze Brandmauern oder Hauswände steingerecht im Masstab 1:20 zeichnen. Dieser Begriff "steingerecht" ist nicht ganz einfach zu verstehen. Man kann unmöglich jeden Stein in seiner exakten Ausdehnung und Lage erfassen. Aber man kann zunächst einmal beobachten, wie das Mauerwerk aufgebaut wurde. Wurden Lesesteine aus einem Fluss verwendet - diese sind immer abgerundet und haben eine recht unterschiedliche Grösse- oder wurden Bruchsteine verbaut. Es gibt natürlich auch Mischformen. Das Baumateriel wird eigentlich immer in möglichst horizontalen Lagen eingesetzt, wobei man versucht, in einer Lage Steine mit möglichst gleicher Höhe zu verbauen. Also eine Lage mit relativ flachen Sterinen wird dann gefolgt von einer Lage mit gröberen Brocken und diese wiederum vielleicht von einer Lage mit mittelgrossen Schroppen.
An den Gebäudeecken wird ein Eckverband gemauert. Das ist auch beim Gebäude von Alp Grüm sehr schön zu sehen: Ist der letzte Stein der Lage in dieser Fassade lang, dann ist seine Stirnfläche in der anschliessenden Fassade kurz. Bei der nächsten Lage muss dann unbedingt in der umgekehrten Reihenfolge gemauert werden. Die Lage muss dann mit einem Stein mit kurzer Stirnfläche abgeschlossen werden, dessen lange Kante in die anschliessende Fassade eingreift. Durch diese Bauweise, die schon aus der Römerzeit bekannt ist, entsteht eine gosse Stabilität der Gebäudeecke.
Das Stationsgebäude von Alp Grüm ist mit einem Bruchsteinmauerwerk erstellt worden. Das Prinzip des Eckverbandes wird auch bei den Fenstergewänden angewandt. Solche Mauerwerke werden ja in Zweischalen-Bauweise erstellt. Aussen und innen hat es eine "Schokoladenseite" und dazwischen wird mit Bruch und Mörtel verfüllt.
Die Regelmässigkeit der Steinlagen wird oberhalb der Fenster von den Entlastungsbogen "gestört". Der Schlussstein des Bogens ragt dabei ziemlich markant in die nächste oder übernächste Steinlage hinein und ist nebst seiner statischen Funktion auch ein dekoratives Element. Die Tür- und Fensterbogen sind bündig mit der Fassade, also nicht abgesetzt.
Nach Abschluss der Aufmauerung mit dem Versatzmörtel wurde das Mauerwerk dann noch verputzt. Es wurden also die Fugen mit Verputzmörtel aufgefüllt. Entweder über die Mauersteine hinweg, so dass diese nicht mehr sichtbar sind oder so wie hier bei Alp Grüm, wo nur die Fugen mehr oder weniger aufgefüllt wurden und die "Steinspiegel" frei blieben.
Du kannst also die Wirkung deines Gebäudes noch erheblich verbessern, indem du den "Rohbau"-Zustand deines Mauerwerks durch teilweises Auffüllen der der Fugen noch verfeinerst. Die Köpfe der Steine sollten dabei aber unbedingt frei bleiben.
Herzlicher Gruss
Thomas